Die Schwierigkeit, den Liebsten in der Krise zu helfen

Von Veröffentlicht am: 11. Februar 2021Kategorien: Beziehungen, Liegende Acht, Veränderungen

Hilfe, meinen Kindern geht es schlecht!
Hilfe, mein Partner braucht Unterstützung!
Hilfe, meine Eltern werden immer älter, wie soll ich helfen?

Gerade wenn unsere Liebsten Probleme haben, wollen wir helfen. Wir machen uns schnell Sorgen und leiden buchstäblich mit. Dadurch wird der nach Unterstützung Suchende zusätzlich belastet. Er/sie fühlt sich noch schlechter, wenn andere seinetwegen bedrückt sind. Innerhalb der Familie sind wir schnell dabei, Ratschläge zu erteilen. Wir kennen unseren in der Krise steckenden Liebsten oft schon jahrelang. Das gibt uns das Gefühl zu wissen, was er braucht und was er tun müsste. Doch was ist, wenn die Engagierten in der Familie unterschiedliche Vorschläge erteilen? Alle Ratschläge kann der Leidende ja auch nicht befolgen. So passiert es leider oft, dass sich einige beleidigt zurückziehen und sich nicht gehört fühlen. Ursprünglich gut Gemeintes wird für den Betroffenen und die ganze Familie zusätzlich zur Belastung.

Keiner kommt auf die Idee, zur Rettung mit ins Eisloch zu springen, wenn jemande um Hilfe schreit!

Der zu Rettende kann sich in seiner Notlage nicht um die Verzweifelten am Ufer kümmern. Seine Kapazität reicht nicht aus, um sich zwischen mehreren Rettungsmöglichkeiten zu entscheiden. Vielmehr gilt es deshalb, am Ufer einen kühlen Kopf zu bewahren. Nur eine klar geplante Rettungsaktion bringt den Ertrinkenden erst einmal ins Trockene.

Mitgefühl hilft, sich in die Lage des Verzweifelten zu versetzen und empathisch zu reagieren auch. Damit fühlt er sich hoffentlich verstanden und abgeholt.
Sobald wir gefühlsmässig stark involviert sind, besteht die Gefahr, dass wir mit Mit-Leid und nicht mit Mit-Gefühl reagieren.

Innerhalb der Familienmitglieder werden alte Verstrickungen oft nicht gelöst und Paare schaffen sich über Jahre gegenseitige Abhängigkeiten. Das verunmöglicht es, in Krisensituationen bei sich bleiben zu können. Dies ist aber die Voraussetzung, um den anderen darin zu unterstützen, wieder in seine eigene Kraft zu kommen und Lösungsstrategien zu finden.
Meist wissen wir, dass wir innerhalb der Familie gefühlsmässig zu stark beteiligt sind. Dazu zu stehen und sich deshalb eine aussenstehende Person für Hilfe zu holen, ist in diesem Fall sehr sinnvoll. In der Krise professionelle Unterstützung zuzuziehen hilft nämlich allen Involvierten. Denn oft benötigen Angehörige ebenfalls eine Begleitung, um mit der Situation aus ihrer Perspektive umgehen zu können.

Im Krisen-Coaching-Prozess geht es zuerst darum, da zu sein, Ruhe auszustrahlen und die Situation mit dem Coachee so anzunehmen, wie sie ist. Das ist die Ausgangslage für weitere kurz- und langfristige Veränderungsprozesse.

In Krisen schaltet unser Gehirn automatisch auf Alarmstufe. Es gibt seit jeher drei mögliche Überlebensreaktionen: Flucht, Angriff oder Erstarrung. In der Prozess-Begleitung, wie auch ich sie anbiete, finden Betroffene wieder aus dem Drama heraus. Es kann für alle eine Chance sein, alte Verletzungen zuzulassen, Blockaden aufzulösen und Verhaltensmuster zu verändern. Der Betroffene wird  ins Gefühl begleitet. Er baut Vertrauen im Umgang mit den eigenen Gefühlen auf und gewinnt zunehmend an Sicherheit. Längerfristig lernt er einen entspannteren Umgang mit den negativen Gefühlen wie Angst, Trauer, Wut, Ohnmacht etc., was nachhaltig zu einem positiveren Lebensgefühl führen wird. Zumal er durch die regelmässige enge Begleitung zwischen den Coaching-Sessions die Umsetzung im Alltag etablieren kann.

Wenn meine gut gemeinte Hilfe in der Krise nicht angenommen wird, kümmere ich mich stattdessen um mich selbst.

Es verändert das eigene Leben und das der Liebsten, wenn eigene Gefühle wahrgenommen und gefühlt werden, alte Blockaden aufgelöst und neue Lebensvisionen umgesetzt werden.

Denn am meisten unterstütze ich meine Mitmenschen, wenn es mir selber gut geht. Nicht weil ich nur noch das Positive in mein Leben lasse. Sondern, weil ich selbst durch meine Gefühle hindurchgegangen bin und deshalb erfahren habe, wie es sich anfühlt, ganz darauf zu vertrauen, dass sich jedes Gefühl verändert, wenn ich mich nur ganz drauf einlasse. An Gefühlen kann niemand sterben, nur an der Angst davor. Aus der eigenen Lebensfreude und Leichtigkeit heraus bin ich in der Lage, anderen mit Mitgefühl und Zuversicht zu begegnen und positive Energie auszustrahlen. Diese Ansteckung ist freiwillig, kann aber zur Win-win-Situation für alle werden, die sich über das Familiensystem hinaus ausbreiten wird.

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